Dienstag, 6. Dezember 2011




Spät im Jahre

Die Lüfte schnauben
weiße Winde überall
Wintergespenster

sie haben sich verspätet
hinter Flocken früher Mond

Sonntag, 4. Dezember 2011

Pseudo

"... Schlossbesitzer Bemering ..., der mit dem Kommissar bei erlesenem Rotwein pseudophilosophische Gespräche über den Wert des Menschen an sich führt ..."

Ein "Gespräch über den Menschen an sich" ist nicht schon deshalb ein pseudophilosophisches Gespräch, weil derjenige, der den Begriff "pseudo" benutzt, nicht daran beteiligt ist. Ein Gespräch über den Menschen an sich ist immer ein philosophisches Gespräch, selbst dann, wenn die Gesprächsbeiträge so banal sind wie manche Kritiken. Das Wort "pseudophilosophisch" soll hier seinen Verwender adeln, der wahrhaft philosophisch zu sprechen sich selbst und einigen wenigen andern vorzubehalten versucht.

FAZ

Vorsätzliche Absicht

Die Strg-c-Komödie nimmt inzwischen groteske Züge an:

"Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Textes hieß es, die Staatsanwaltschaft Hof sei nicht von einem Täuschungsvorsatz ausgegangen. Richtig ist jedoch, dass die Staatsanwaltschaft nicht von einer Täuschungsabsicht ausging. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen."  So der "Spiegel" im Nachtrag eines Artikels.

Welchen Fehler? Was soll das bedeuten? Per definitionem ist doch ein "Vorsatz" die "feste Absicht". Der Fehler liegt wohl eher darin, daß die Staatsanwaltschaft sich, im Gegensatz zu den Gutachtern der Universität, täuscht. Ob mit Vorsatz oder mit Absicht oder ohne irgendwas, diese Frage kann hier nicht beantwortet werden. Allerdings muß darauf hingewisen werden, daß noch 1793 Ernst Ferdinand Klein, geheimer Justiz- und Kammergerichtsrat, in den "Annalen der Gesetzgebung ..." von "vorsätzlicher Absicht" spricht.

 
Daß Juristen heutzutage selbstverständlich bessere Sprachwissenschaftler sind als Linguisten, ist mir als Nichtjurist immerhin ein wenig klar.
 
Die Uni Bayreuth hat, obgleich auch Juristen zugegen waren, Täuschungsvorsatz festgestellt, die Staatsanwaltschaft bestreitet, laut "Spiegel", die Täuschungsabsicht, wie betont wird, den Vorsatz, wer weiß, möglicherweise nicht so ohne weiteres. In der Presseerklärung zur Einstellung des Verfahrens findet sich weder das Wort "Absicht" noch das Wort "Vorsatz", also darf spekuliert werden. Folglich, so schließe ich daraus, muß es sich um einen unabsichtlichen Vorsatz gehandelt haben, keineswegs jedoch um vorsätzliche Absicht.


Der Spiegel

Selbst-Enttäuschung

In den meisten Fällen sind wir selbst verantwortlich für unsere Enttäuschungen: weil wir zugelassen haben, daß wir vorgeführt, getäuscht wurden – entweder von anderen, aber immer auch von uns selbst.  Wenn wir das bemerken, sind wir sauer auf uns, und diese Selbst-Enttäuschung ist der schmerzhafteste Teil der Enttäuschung.

Das Hörrohr

"Nanu, so ganz ohne Hörrohr, wie kommt denn das, Sie haben doch sonst immer so ein Hörmonstrum dabei?", fragte mich ein zur Hälfte italienischstämmiger deutscher Journalist, als wir uns in einem Budapester Hotel zu Palatschinken mit Marillenmarmelade trafen. "Eine nette pakistanische Ohrenärztin hat mir gesagt, daß ich auch ohne Hörgerät hervorragend hören könne", sagte ich. "Ich war verwundert, habe jedoch mein Hörrohr wenig später dem Ohnsorg-Theater geschenkt, und siehe da: Ich höre besser als je zuvor. Ist das nicht unglaublich? Nur zum Autofahren brauche ich noch ein ähnliches Rohr (leihe ich mir jetzt beim ADAC), denn ohne kann ich die Sendungen im Autoradio nicht verfolgen, weil ich nur ein Brummen höre." Giovanni, der Journalist, fand das glaublich, glaubwürdig. Unglaublich, fand ich.
 
Was ich am meisten vermisse bei der Diskussion um den fränkischen Halbmessias, das ist nicht die Antwort auf die Frage, ob Guttenberg ein Betrüger ist oder nur ein Dummkopf oder heimlicher Konsument psychotroper Substanzen, nein ich wüßte gern, wie die Behauptung, zuletzt wieder von ZEIT-Giovanni, dieser Mann habe außergewöhnliches politisches Talent, begründet wird. Worin könnte dieses Talent bestehen? Es kann doch nicht allein dessen Überheblichkeit, die narzißtische Wahnhaftigkeit sein oder die schlechte Angewohnheit, die Hand in der Tasche zu lassen, wenn man mit jemandem spricht. Das alles findet man auch beim gewöhnlichen Eckensteher und Hinterbänkler. Oder ist es der morbide Charme der selbsternannten Eliten von vorgestern, der ihm aus allen Knopflöchern dampft? Ja, was ist es? Kann mich jemand aufklären? 

Gleichmut

Ich empfehle, sich von monströsen Terminius-technicus-Exzessen wie etwa dem Extremkompositum "Widerfahrnisbewältigungskompetenz" ebensowenig beeindrucken zu lassen wie von deren schlichtem anglizistischem Pendant ("coping") und mit angemessenem Gleichmut zu reagieren, wenn einem beim Lesen derartige Sprachschöpfungen widerfahren. Im ganzen gesehen, das gebe ich ehrlich zu, schwanke ich in solchen Fällen der Terminologiegestaltung allerdings zwischen Erheiterung und Frustrationsintoleranz.

Lieferwagen

Da die Politiker in letzter Zeit verstärkt dazu übergegangen sind, Lieferungen anzukündigen (und dies von der Presse oder anderen Politikern eingefordert wird – jüngstes Beispiel Morgenpost), sollte ihnen Gelegenheit gegeben werden, das tatsächlich zu tun. Deshalb schlage ich vor, die Dienstlimousinen durch Lieferwagen zu ersetzen. Hoffentlich können die Hersteller liefern.